Georg von Oertzen                Natalie

 

Tief aufgerührt vom heißen Kampf des Tages

Ward oft mein Herz, mein Lied, ward oft mein Leben;

nun seine Pulse Dir entgegenbeben

Geweihteren und klarern Wellenschlages.

 

Und was ich war und was ich bin, ich trag es

Vor Deine Reinheit: spiegle sie dies Streben,

Und Frieden mir nach langer Qual zu geben,

Heimath dem Fremdling, komm, Geliebte, wag es!

 

Uns winkt Ein Sternlicht, Eines Hafens Feuer

Hoch ob der Welt und ihrem Nebelrauche;

Und Ein Pilot – kein andrer war je treuer –

 

Lenkt Deinen Rath und meine That am Steuer.

So lausch ich Dir: Mein Spiel in Wohlklang tauche,

Du frommes Kind, mit Deinem Seelenhauche.

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Auf Freiersfüßen

 

Wenn ich jetzt heim von der Geliebten schleiche

In meines Häuschens warm durchhauchte Stille,

Zur Audienz für eine Dichtergrille,

Der ich zerstreut das halbe Herz nur reiche,

 

Dann frag ich wohl, ob ich mir selbst noch gleiche?

Ob diesen Räumen, die mein strenger Wille

Zur Burg mir wählte, Frieden noch entquille?

Hier wohnte sonst die übersättigt bleiche

 

Erinnerung, die geizig Schätze hütet,

Und her zu ihr von rückwärts Träume kamen.

Nun strebt hinaus die Hoffnung, die nicht brütet,

 

Nein, all mein Thun ausstreut als Zukunftsaamen:

Sie schaut und malt, durch süßen Lohn vergütet,

Ein größres Bild in einen weitern Rahmen.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Ein zahmes Märlein vom wilden Maus

 

„Hört, Kinder, hört, was mir des Pfarrers Katze

hat anvertraut, ich will Euch jetzt erzählen

Dies Heldenlied, drin auch nicht Märchen fehlen:

Ein tapfrer Maus schlich jüngst zu seinem Schatze.

 

Ihn sah mein Kätzchen und mit einem Satze

Beschloß es, ihn zum Mittagsbrot zu stehlen,

Das ward ihm Leid: Nach blutigem Krakehlen

Der wilde Maus blieb Sieger auf dem Platze.“

 

So sang ein fahrender Poet, der kecke!

Zwei Lippen schmollen, Äuglein drohn: Du Böser,

Nimm dich in Acht, wenn ich mein Tätzchen recke.

 

Gleich gut geblieben! Seri des Räthsels Löser:

Wer war der Maus? Sonst kommst du in die Ecke

Und wirst geküßt, bis ich es selbst entdecke.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Sei lieb!

 

Sei lieb! Dies will mit jedem Liebesworte,

Mit jedem Blicke dieses will ich bitten:

Laß athmen deinen Mund, laß blühn die Sitten

Aus tiefster Brust und offner Herzenspforte.

 

Wenn Gott dir gab von jenem theuren Horte,

In dessen Schutz kein Held umsonst gestritten,

Durch Nächstenliebe, was du auch gelitten,

Wird dir die Welt zum heimathlichen Orte.

 

Dein Gruß sei Dank und Willkomm, deine Seele,

Im Nehmen scheu, sei frisch bereit, zu geben!

’s ist Unnatur, daß sich ein Licht verhehle,

 

Es strahlt hinaus und wärmend will es leben.

Dein blöder Sinn die Brüder nicht bestehle:

Wer edel ist, soll hoch sein und erheben.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Sei gegrüßt!

 

Ein Strom von Liebe fluthet dir entgegen,

Nun du betrittst des Theuren Heimathland,

Und alle Herzen sind dir zugewandt

Und alle Blicke leuchten deinen Wegen.

 

Du aber bebst, wie unterm Blüthensegen

Ein junges Bäumlein, das sonst frierend stand

Auf hartem Grund, in unfruchtbarem Sand,

Und welches nun die treuen Gärtner pflegen.

 

Nur manchmal, wenn des Glückes voller Strahl

Sich warm und weich um deine Schläfe breitet,

Hebst Du den Blick in diesen Frühlingssaal,

 

Und eine Hand still in die andre gleitet:

So mit Gebet begrüßest du das Thal,

In welchem Gott uns Frieden hat bereitet.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Im Honigmond

 

Jetzt rüsten wir, vermählt von Gottes Gnaden,

Der Hochzeitsreise tändelndes Geflitter:

Du bist Prinzessin, ich galanter Ritter,

Und Liebe folgt und Neugier unsern Pfaden.

 

Gern ruhen wir, vom Glück zu Gast geladen,

Nur manchmal klingt wehmütig meine Zither;

Denn schweigsam, wie ein Vogel hinterm Gitter,

Fort spinnest du der Träume stillen Faden.

 

Dein Herz will heim, du sehnest dich nach Pflichten

Der Hausfraunwürde und der eignen Klause.

Doch glaub mir, Kind, die fehlen dir mit nichten;

 

Uns ward ein Amt, es duldet keine Pause:

Sich selbst erziehn und fremdes Leid beschwichten.

In seinem Dienst sind du und ich zu Hause.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Im Hafen

 

O stille, still! Nach jenem vielbewegten,

Ehrgeizgen Ringen der vergangnen Jahre

Begehrt mein Sinn, daß ich ein Glück erfahre,

Was Gottes Engel in’s Verborgne legten.

 

Weltschätze nicht, die oft schon Neid erregten,

Auch Ruhe nicht, die Prüfung uns erspare,

Nein solcher Frieden, der uns rein bewahre,

Ihm gilt der Traum, den wir am liebsten hegten,

 

Mein Weib und ich. Sie lächelt diesen Zeilen,

Und jeder Blick viel alten Trug zerreißt er;

So werden wir, ob schwankend auch zuweilen,

 

Im kleinen Thun der großen Selbstsucht Meister.

Das Veilchen blüht, Primeln die Kelche theilen,

- Wir hoffen auch, Ihr lieben Frühlingsgeister.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Willkommen

 

Ein altes Lied verwirrt mir Traum und Wachen,

Das singt so heimlich, schmeichelt mir so leise,

Daß ich vertieft in seine liebe Weise,

Geschaukelt wie von einem Zaubernachen,

 

Zu einem fernen Eiland schwimme. Nixen lachen

Vom Ufer mir und aus der Schwestern Kreise

Grüßt eine mich: „Sehr weit war deine Reise,

Sprich, wem’s gelang des Heimweh’s Gluth zu fachen?“

 

Heimweh? Hierher? Wann trug mich diese Welle?

So fragt ich sie voll wunderdurstgen Schauens

und hörte nun: Hier strömt die Jugendquelle

 

Des Frohsinns und des kindlichen Vertrauens.

Für deinen Herd ist dies die Friedensstelle,

Und guter Geister warten des Erbauens.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Zwischen Haus und Wald

 

Welch ein Gespräch des Windes in den Tannen!

Die Wipfel wiegen und die Äste stöhnen,

Bald flüstern Stimmen, die einander höhnen,

Und bald wie Grüße säuselt es von dannen

 

Gen Morgen, bis wo Schiras’ Rosen spannen

Ihr duftig Netz, durchhaucht von Liebestönen,

Zum Wohngemach den dunkeläugigen Schönen,

Aus deren Blick viel Männer Leid gewannen.

 

Und hier im Gras ein Wandrer liegt; die Sinne

Umstürmt der Nord, umschmeichelt Süd mit Bildern,

Doch keinem wird dies Locken zum Gewinne.

 

Es giebt ein Glück, das kaum Poeten schildern:

Zu Hause sein, wo Fleiß und treue Minne

Den herben Ernst des Vielgeprüften mildern.

 

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Daheim

 

Wenn sich mein Herz einfriedet in die Schranken,

Die aus dem Traum von Herd und Heimath steigen,

Dann flieht es gern in weltabgelegnes Schweigen

Zu einem Dach, drum Rebenblüthen schwanken.

 

Still ist der Morgen, schwer der Tag, und sanken

Die Schatten tief, dann lockt mein Weib den Reigen

Der Musen her mit Liedern, die ihr eigen,

Die Kelche duften und die Lippen danken.

 

Zur Mahlzeit lädt ein Tüchlein, weiß gespreitet,

Und reichlich Speise, reichlicher die Liebe,

Die Frohsinn giebt und Blick und Rede leitet.

 

So fragen wir, was noch zu wünschen bliebe?

Ehrgeiz verblich, kein Spott dies Glück bestreitet,

Zu unscheinbar für Neider und für Diebe.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                Feierabend

 

Wenn nun die süßen Lieder sich vermischen

Der Nachtigall und meines lieben Weibes,

Dann fern der Arbeit, müde des Geschreibes,

Mein Ohr sie trinkt, das Herz mir zu erfrischen.

 

Und danken muß ich Euch verschwenderischen

Wohlthätern meiner Seel und meines Leibes,

Dieweil der Spott brodhungrigen Getreibes

Nun nimmer darf in meinen Frieden zischen.

Und bleicher Glanz herfluthet durch den Erker,

Und Mohn und Lilie, Traum und Schlummer winden

Die schweren Ranken zärtlicher und stärker

 

Und enger nur, bis sie das Leben binden,

Das gern sich streckt in diesen duftigen Kerker,

Um in ihm Kraft und Freiheit dann zu finden.

 

 

 

 

 

Georg von Oertzen                In der Sommernacht

 

Klar steht das Mondlicht auf den Bergabhängen,

Am Himmel Wölklein weiß wie Schwäne ziehen,

Der Wald ist stumm und horchet Melodien,

Nachtönend überirdischen Gesängen.

 

Jasminenduft entschwebt den Laubengängen:

Da ruf ich meiner Träumerin, zu fliehen

Im Schleier dieser Mittnachtspoesieen

Fort von den Sorgen, die am Tag uns drängen.

 

Und wie die Blüthe all ihr Tiefstes, Bestes

Ausathmet gern in dieser Zauberstunde,

Zitternd im Klang des Nachtigallennestes,

 

Und wie die Brünnlein plaudern durch die Runde

Vom Lilienreigen eines Nixenfestes:

So giebt das Herz nur Frieden jetzt dem Munde.